Genau wie die Sammlung Tellgmann ist auch die Sammlung Gutschmidt (299 Fotografien) nicht Bestandteil der ursprünglichen, kaiserlichen Fotokollektion. Im Jahre 2001 hat Mr. S.F. Schütz diese Fotografien auf einer Versteigerung im deutschen Sugenheim erworben, um sie dann Haus Doorn als immerwährende Leihgabe zu überlassen.
Eine bemerkenswerte Dotation, weil es sich hier um eine Serie handelt, die, genau wie die Tellgmann-Sammlung, in und um Haus Doorn in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts aufgenommen wurde. Aber während Tellgmann ein professioneller Fotograf war, der im Auftrage arbeitete, handelte es sich bei Major a.D. J. Gutschmidt um einen Amateur.
Nach der Datierung auf den Fotos war Gutschmidt in den Jahren 1933 und 1935 in Doorn. Möglicherweise verbrachte er einige Zeit in Doorn als ehrenamtliches Mitglied des Hofstaats, ein Ehrenamt, das mehrere deutsche Veteranen innehatten.
Die Fotografien wurden Haus Doorn in der originalen Archivschachtel übergeben, sorgfältig sortiert nach Thema und getrennt durch rosafarbene Trennblätter, auf denen die Rubriken und die Anzahl der Fotos pro Rubrik angegeben sind. In der rechten oberen Ecke sind die Trennblätter mit Tinte beschriftet, von A bis U. Der Major war offenkundig ein sparsamer Mann, denn die Trennblätter wurden zuvor bereits benutzt: Zahlen und Buchstaben wurden überklebt.
Auf dem vordersten Trennblatt sind Name und Anschrift des Fotografen genannt:
J. Gutschmidt
Major a.D.
Berlin-Schöneberg
Innsbrucker Str. 34
Alle Fotografien der Sammlung wurden auf drei Sorten von Trennblättern aus Pappkarton befestigt: grüne (mit Leim aufgeklebt), crèmefarbene (aufgeklebt mit Fotoecken) und graue Systemkarten (mit Leim aufgeklebt). Die Pappkartonblätter sind auf der Vorderseite gekennzeichnet mit einem Buchstaben mit der zugehörigen Rubrik, gefolgt von einer Nummer. Unter oder neben die Fotografie wurde ein weißer Papierstreifen geklebt, auf den der Titel getippt wurde.
Die Objekte, die Gutschmidt in Doorn fotografierte, umfassen das Dorf Doorn, das Torgebäude und das Haus von innen und außen, sowie den Holzplatz des Kaisers und Menükarten aus den frühen dreißiger Jahren. Auffallend ist, dass Hermine, die zweite Gattin von Wilhelm II., vor Gutschmidt posierte, jedoch der Kaiser nicht. Von ihm wurden nur einige Schnappschüsse aufgenommen von Hermines Salon aus, wie er auf dem Weg zum Holzplatz die Enten füttert. Drinnen wurden alle Wohnräume fotografiert, inklusive der Räume der im Jahre 1921 verstorbenen Kaiserin Auguste-Viktoria. Im Torgebäude fotografierte Gutschmidt das Zimmer, in dem er logierte.
Gutschmidt hat, so ist den Annotationen auf den Rückseiten der Trennblätter zu entnehmen, aus den Fotos zwei Serien zusammengestellt: “Enten-Fütterung”, eine Serie von 10 Fotografien, auf denen der Kaiser abgelichtet ist, während er mit einem Bediensteten auf der Brücke die Enten füttert und ”Der Kaiser geht zum Holzplatz”. Diese vier Fotos zeigen den Kaiser auf dem Weg zum Holzplatz des parkartigen Waldes. Beide Fotoserien wurden aufgenommen von Hermines Salon im ersten Stock aus.
Gutschmidts Photographien wurden offensichtlich als Nachrichtenwert eingeschätzt. Den Annotationen auf den Rückseiten der Trennblätter aus Pappkarton zufolge wurden fünf Fotografien verkauft oder abgegeben an die New York Times und eines an den Verlag Scherl für “Die Woche”. Es wäre interessant zu wissen, ob die Fotografien je veröffentlicht wurden und wenn ja, anlässlich welcher Gelegenheit. Abzüge anderer Fotos wurden auf den Basaren zum Verkauf angeboten, die Hermine auf dem Gelände von Haus Doorn, in Berlin und in ihrem Geburtsort Greiz organisierte. Diese Bilder sind zu erkennen an den Buchstaben HW (Hermines Hilfswerk); auf den Rückseiten steht jeweils mit Bleistift “Gutschmidt” geschrieben – ein Hinweis für Nachbestellungen? Es dürfte nicht schwierig gewesen sein, diese Fotos bei Gutschmidt nachzubestellen, auf der Rückseite der Fotos und der Trennblätter aus Pappe sind die Nummern des Films und des Fotos vermerkt. Aus dem Nachlass von Hermine ist eine gleichartige Serie bekannt, jedoch in schlechterer Qualität.
Eine kleine Anzahl der Fotos in der Sammlung entstand nicht in den Jahren 1933 oder 1935 sondern 1941 und später. Beispielsweise das berühmte Foto vom Kaiser auf seinem Sterbebett, und das Foto vom Mausoleum, beide aufgenommen vom Doorner Photographen W.N. van Oest.
Diese Fotografien wurden der Kollektion später zugefügt. Im Jahre 1944 bekam Gutschmidt den Auftrag von der deutschen Regierung von Haus Doorn eine Dokumentation zu erstellen, für den Fall, dass die Bombardements der Alliierten das Haus zerstören sollten. Gutschmidt hat seine früher aufgenommenen Bilder zu einer Serie zusammengefügt und diese offensichtlich mit einigen späteren Fotos anderer Fotografen ergänzt.
Bis heute ist nicht bekannt, ob die Archivschachtel tatsächlich bei der deutschen Regierung gelandet ist. Der Auktionskatalog gibt leider keine Auskunft zur Herkunft dieser Fotografien. Fest steht jedoch, dass die Kollektion, komplett und in der Originalverpackung, einzigartig ist und genau wie die Sammlung Tellgmann, wichtig ist für die Rekonstruktion des Parks und für die historische Einrichtung des Hauses.
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